BEWEGUNG IST GUT – auch im Alter?
Autor: Dr. med. Karl-Heinz Müller (Facharzt für Innere Medizin & Geriatrie)
Ausgabe: Leben und Gesundheit, März / April 2024 - Bewegung
Vor einigen Wochen besuchte ich ein älteres Ehepaar (85/89 Jahre). Den Ehemann hatte ich auch schon früher ab und an getroffen, aber die Frau war mir bis dato unbekannt. Obwohl sie noch gut auf den Beinen war, fiel mir beim Essen am Tisch auf, dass sie erhebliche Mühe hatte, ihre Oberarme anzuheben, um das Essen zum Mund zu führen. Mir wurde sofort klar, dass diese Frau an einer fortgeschrittenen Arthrose in beiden Schultergelenken litt. Sie bestätigte mir, dass sie nicht mehr in der Lage sei, sich selbst zu kämmen. Alles, was in einer Höhe über den Schultern ist, kann sie nicht mehr erreichen. Bei weiterer Beobachtung bemerkte ich rasch, dass sie auch ihre Unterarme nicht so einsetzte, wie es normalerweise möglich sein sollte. Aufgrund der Behinderung in den Schultern schonte sie nun auch ihre Unterarme, obwohl diese frei beweglich waren. Ein erster Schritt wäre also, dieser Frau zu vermitteln, dass sie ihre Unterarme ganz normal benutzen und zusätzliche Übungen durchführen sollte. Dies würde erstmal dazu führen, dass sie zumindest noch selbstständig essen könnte.
REGELMÄSSIGE BEWEGUNG, AUCH IM ALTER
Gesund zu altern – dazu trägt regelmäßige Bewegung bei. Senioren, die diesen Rat befolgen, bleiben länger fit und beweglich. Dies bringt eine ganze Reihe Vorteile mit sich:
• Alltägliche Aufgaben fallen leichter und können routiniert durchgeführt werden.
• Wenn man früh genug mit regelmäßiger Bewegung beginnt, ist längere Selbstständigkeit eine Folge.
• Zusätzlich führt die Bewegung zu einer Verlängerung der allgemeinen Lebenserwartung, weil das Risiko für Krankheiten durch einen trainierten, fitten Körper herabgesenkt wird und Verletzungen durch Stürze vorgebeugt werden können.
• Regelmäßige Bewegung sorgt auch für die Ausschüttung von Glückshormonen, die das allgemeine Wohlbefinden verbessern.
• Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit werden trainiert und wenn die Bewegung in einer Gruppe ausgeübt wird, fördert dies zusätzlich soziale Kompetenzen.
• Eine bessere körperliche Verfassung im Alter beeinflusst auch den Schlaf, da Stresshormone schneller abgebaut werden und innere Anspannungen gelöst werden.
STÖRUNGEN DES GANGMUSTERS
Bei Gesunden laufen Gehbewegungen reibungslos ab. Wenn es aber im Alter aufgrund verschiedener Erkrankungen zu einer Gangstörung kommt, ist der automatische Ablauf des Gangmusters und der Ganggeschwindigkeit gestört. Betroffene schlurfen, hinken, heben ihre Füße nicht mehr ausreichend, oft aus Angst zu stürzen. Das kann einen Teufelskreis in Gang setzen: Mangelnde Bewegung schwächt die Muskulatur, das Risiko weiterer Stürze steigt, Angst und Isolation nehmen zu.
REGELMÄSSIG, JEDERZEIT …
In solchen Situationen ist Bewegung umso wichtiger. Für ältere Menschen mit Einschränkungen sollte eine individuelle Bewegungsstrategie entwickelt werden – idealerweise durch Ergo- und Physiotherapie. Die WHO empfiehlt: „Jeder Mensch soll sich lebenslang entsprechend seiner individuellen Leistungsfähigkeit bewegen.“ Schon 30 Minuten Bewegung pro Tag verbessern Mobilität und Selbstständigkeit. Studien zeigen, dass gezielte Programme für Senioren massive Bewegungseinschränkungen verhindern können.
Das Sprichwort “Wer rastet der Rostet”, gilt auch für Menschen im höheren Alter.
WER NOCH GEHEN KANN, DER GEHE!
Auch wenige Schritte sind wertvoll. Routinen wie Einkaufen oder Spazierengehen sind Investitionen in die Selbstständigkeit. Selbst passive Bewegung – Durchbewegen der Gelenke, Massagen, physikalische Therapie – kann Schmerzen lindern und Körperfunktionen aktivieren.
WELCHE FÄHIGKEITEN UND FERTIGKEITEN BEEINFLUSSEN DIE BEWEGUNG POSITIV?
Um den Alltag zu meistern, braucht es vier Kernkompetenzen:
Kraft
Beweglichkeit
Koordination
Ausdauer
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entwickelte gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule Köln das „Alltags-Trainings-Programm“ (ATP) für Menschen ab 60. Alltagssituationen werden gezielt genutzt, um Muskeln zu kräftigen und Beweglichkeit zu trainieren. Mit der richtigen Betreuung kann Bewegung verhindern, dass ältere Menschen zu früh in Pflegeheime müssen.
Regelmäßige Beschäftigung und Bewegung halten körperlich und geistig fit. Viele Übungen können allein, mit Angehörigen oder in Gruppen durchgeführt werden. Ein individuell angepasstes Aktivitätsprogramm sollte fordernd, aber nicht überfordernd sein.
„Jeder Mensch soll sich lebenslang entsprechend seiner individuellen Leistungsfähigkeit bewegen.“