Gesunde Ernährung – kranke Zähne?
Autor/in: Dr. med. dent. Roger Walker (Zahnarzt)
Ausgabe: Leben und Gesundheit, Januar/2014 - Ernährung
Zu einem erhöhten Gesundheitsbewusstsein gehört eine gesunde Ernährung. Wer kennt nicht die Empfehlung, fünf Mal am Tag etwas Gesundes mit vielen Vitaminen und möglichst wenigen Kalorien zu essen. Gemeint sind dann Lebensmittel wie Früchte, Gemüse, Salate oder Fruchtsäfte.
Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch: Es liegt mir fern, Ihnen diese Ernährungsweise auszureden. Ich möchte nur aufzeigen, dass auch gesunde Lebensmittel ihre unerwünschten Nebenwirkungen haben.
Im Gegensatz zu Medikamenten existieren hier aber keine Beipackzettel, die auf Risiken aufmerksam machen würden. Die genannten Lebensmittel sind ja – abgesehen von künstlich gesüssten Fruchtsäften – nicht gerade dafür bekannt, dass sie viel Karies in den Zähnen verursachen.
Unter Karies versteht man Löcher in den Zähnen, welche durch Bakterien verursacht werden, die sich vom Zucker in der Nahrung ernähren.
Die befallenen Stellen müssen dann meist vom Zahnarzt mit einer Füllung repariert werden.
Wir sprechen in diesem Artikel aber nicht über Karies, sondern über Zahnerosionen. Doch was ist das genau?
Die Zahnsubstanz
Die Zähne bestehen mit dem Zahnschmelz aus der härtesten Substanz des Körpers, sie übertreffen damit sogar die Knochen.
Doch sie haben auch einen Schwachpunkt: ihre Anfälligkeit gegenüber Säuren.
Ursachen für Zahnerosion
Viele Lebensmittel können Zahnerosionen verursachen. Die folgende Aufzählung enthält nur eine Übersicht. Neben den meisten Früchten können auch gewisse Gemüse wie Sauerkraut oder Rhabarber Erosionen verursachen.
Beim Salat muss man auf den Essig in der Salatsauce achten. Essig- und Fruchtsäfte, Sportgetränke, Eistees, Cola, Sprite und viele Softdrinks haben einen sehr tiefen pH-Wert (von 2,8!), sondern enthalten auch Zucker im Übermass, was zusätzlich den Kariesbefall begünstigt. Oft unterschätzt werden auch Snacks wie z. B. saure Gummibärchen und saure Bonbons.
Demgegenüber sind viele Milchprodukte wie Milch, Käse und die meisten Joghurts nicht erosiv, weil sie viel Kalzium und Phosphat enthalten, welche die Grundsubstanz des Zahnschmelzes bilden.
Sie können sogar die „schädliche“ Wirkung von Früchten abmildern, wenn man sie zusammen isst. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass gesüsste Milchprodukte Zucker enthalten. Ein Nachspülen mit Milch schützt ebenfalls.
Das gilt allerdings nicht für Sauermilch oder Fruchtjoghurts mit sehr saurem Aroma (z. B. Zitrone).
Ein Lächeln ist die schönste Sprache der Welt – und gesunde Zähne sind ihre beste Übersetzung.
Schutz vor Erosion
Einen äusserst wichtigen Schutz bietet Fluor, denn es macht die Zähne säureresistenter. Fluor ist in den meisten Zahnpasten, Zahnpflegemitteln und Karieschutzgels enthalten und bietet damit bei regelmässigem Zähneputzen ausreichenden Schutz.
Wenn man allerdings direkt nach dem Essen oder Trinken von sauren Lebensmitteln fluorhaltige Zahnpflegemittel anwendet, werden zwar die Zähne geschützt, geschmacklich ist dies allerdings dann alles andere als ein Highlight.
Ein natürlicher Verteidigungsmechanismus des Körpers gegen Zahnerosion ist der Speichel. Er neutralisiert die eingenommenen Säuren im Mund und baut den angegriffenen Zahnschmelz wieder auf.
Da dieser Prozess jedoch eine gewisse Zeit dauert, sollte man (ausser bei hohem Kariesrisiko) mit dem Zähneputzen sofort nach dem Genuss säurehaltiger Substanzen etwa 45 Minuten warten.
Der Speichelfluss vermindert sich nachts – daher sind Zähne während der Nacht anfälliger auf Erosionen. Besonders gefährdet sind Menschen mit häufigem Durst, körperlicher Anstrengung, Stress, Drogenkonsum oder im Alter.
Sportgetränke, die viel Zucker enthalten und einen sauren Geschmack haben, sind ein Desaster für die Zähne, wenn sie während dem sportlichen Einsatz eingenommen werden.
Neben Nahrungsmitteln gelten auch nächtliches saures Aufstossen und häufiges Erbrechen als Risikofaktoren für Erosionen.
Ernährungsbedingte Risikofaktoren für Zahnerosion
Früchte
Fruchtsäfte
Softdrinks !!
Sport- und Energy-Drinks
Essig (Salatsauce)
Ernährungsbedingten Zahnerosionen vorbeugen
Fluor (Zahnpasta, Spülungen und Karieschutzgelées)
Zuckerlose Kaugummis (Speichelanregung)
Mund mit Wasser, Milch oder Zahnpflege-Spülung neutralisieren
Milch/Milchprodukte (säureneutralisierend)
Verzicht auf säurehaltige Getränke während körperlicher Anstrengung und Sport
45 Minuten warten mit Zähneputzen
Vorsorge ist natürlich immer besser, auch wenn sich Erosionen nie ganz verhindern lassen. Man kann sie nur reparieren, nicht heilen. Prinzipiell ist eine gesunde Ernährung allerdings wichtiger, als die Vermeidung von Erosionen.
Aber man kann vorsichtig sein und seine Zähne schützen. Ein zu einseitiger Speiseplan ist zudem aus verschiedenen Gründen zu vermeiden, nicht nur wegen den Zähnen.
„Pflege deine Zähne – sie müssen noch lange lächeln, nachdem du aufgehört hast zu reden.“