“Mutmacher” braucht die Welt

 

Autor/in: Christian Frei, M.A. (Seelsorger, Lebensberater, Erwachsenenbildner)

Ausgabe: Leben und Gesundheit, August/2013 - Beziehungen

Es ist erstaunlich, wie Lob unser Leben und das Leben von anderen erhellt.

Bis 17 im Ausland

Nachdem ich zwölf sehr glückliche und prägende Jahre in Spanien verbracht habe, bin ich mit 17 in die Schweiz zurückgekehrt. Ein einschneidendes Ereignis im Leben eines Jugendlichen. Nicht nur das warme Klima, 300 Tage Sonne pro Jahr und den Duft von Meer, Pinienwäldern und blühenden Orangenhainen habe ich zurückgelassen, sondern auch all meine Kollegen und Freunde, mein ganzes soziales Netz.

Eine neue Heimat

Wie gut hat es mir nach meinem Umzug von Valencia nach Basel getan, in einer christlichen Jugendgruppe mit offenen Armen und wehenden Fahnen empfangen zu werden. Ich habe damals in dieser Jugendgruppe nicht nur etliche neue Freunde gewonnen, sondern auch vieles gelernt.

Sport vereint

Während der wärmeren Jahreszeit treffen wir uns jede Woche zum gemeinsamen Sport. Unihockey steht diesmal auf dem Programm. Wir spielen auf dem Sportplatz einer Schule. Einer der Gruppenleiter, ein dynamischer Jugendlicher mit lebensfröhlicher Ausstrahlung, quittiert gute Spielzüge und Tore immer wieder mit lautstarkem Lob: «Schööön», «supper», «weiter so», «bravoo …».

Die gelobten Spieler gehören aber nicht nur der eigenen, sondern ebenso der gegnerischen Mannschaft an. Er freut sich einfach an dem, was gelingt, gelingt, ermutigt «Freunde» und «Feinde», versprüht Optimismus und macht gute Stimmung. Das Ergebnis? Jeder von uns ist bereit, sein Bestes zu geben. Fairness und Kollegialität stehen im Mittelpunkt. Das Endresultat ist unwichtig, die Tore zählen nicht. Grossartig, so etwas habe ich noch nie erlebt. Ich bin tief beeindruckt, habe ein Vorbild gefunden. Ein wenig so sein wie er, das möchte ich auch. Ich erlebe am eigenen Leib die beflügelnde Kraft von Lob und Anerkennung.

Die Schwarzwälder Torte

  • Wann sind Sie zum letzten Mal gelobt worden?

  • Wie lange ist es her, dass Sie jemanden gelobt haben?

  • Sehnen Sie sich manchmal auch nach Lob und Anerkennung?

Ist Lob in unserer Gesellschaft Mangelware? Jeder sehnt sich danach und doch teilen es nur so wenige aus. Dabei wäre es gar nicht so schwer, ein echtes aufrichtiges Lob auszusprechen: «Das hast du toll gemacht, du bist wirklich gut in diesem Bereich, ich bin so froh, dass es dich gibt und dass ich dich kennen darf, das war einfach klasse, weiter so …»

Schuld an diesem Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Nachfragen an Lob ist meines Erachtens die «Schwarzwälder Torte». Irgendwie meinen wir, da draussen gäbe es nur ein einziges Stück Schwarzwälder Torte. Bekommt es der andere, gehe ich leer aus. Bevor ich mit meinem Lob meinen Gegenüber das einzige Stück Schwarzwälder Torte des Universums überreiche und ich ohne Tortenstück dastehe, beiße ich mir lieber auf die Zunge und sage gar nichts. Vielleicht bin ich ja auch ein wenig neidisch oder befürchte, mit meinem Lob den anderen zu erheben, ihn aber zu erniedrigen.

In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Da draussen wimmelt es nur so von ... nein, nicht nur von einzelnen Stücken, sondern von vielen, unberührten Schwarzwälder Torten! Es gibt mehr als genug für alle. Jeder von uns ist einmalig. Jeder von uns hat besondere Begabungen und Stärken. Es gibt tausend Gründe dafür, selbst gelobt zu werden und andere zu loben.

Ein aufrichtiges Lob an die Adresse meiner Mitmenschen bedeutet nicht automatisch, dass ich weniger wert bin. Ich kann von jedem Menschen, der über diese Erde geht, etwas lernen, davon bin ich überzeugt. Aber ebenso können auch andere von mir etwas lernen.

Auch ich darf lernen

Als Austauschschülerin habe ich als Jugendliche hier Skifahren gelernt. Ich kann es trotz mehrerer Versuche immer noch nicht – zur Belustigung und Freude meiner Jungs. Als meine Frau vor vielen Jahren die Gelegenheit hatte, während der Ski-Woche eines katholischen Internats als Skilehrerin auszuhelfen, ermutigte sie mich, doch eine Versuche auf den Brettern zu machen. Die Nonne, die diese Ski-Woche leitete, hatte sich mit als Skilehrerin anvertraut. Als sie mich in Onkelskleidung, sondern in enganliegenden Skidress am besagten Treffpunkt ankommen sah, lachte sie auf. Mit der Gondel hochzufahren ist keine Kunst. Den ersten Hang mit fachdidaktischer Anleitung hinunterzurutschen geht auch noch einigermassen. Der erste Tellerlift wird mir aber zum Verhängnis.

«Christina, du darfst auf keinen Fall abstützen, lass dich einfach vom Teller zwischen deinen Beinen hinaufziehen.» Ich bin doch nicht blöd, sage ich aufmunternd zu mir selbst, doch nach sechs, sieben Metern liege ich im Schnee. Der Skilift muss angehalten werden, hinter mir bildet sich eine Schlange. Ziemlich peinlich, das Ganze. Das nächste Mal geht es schon besser. Ich falle erst nach 500 Metern. Als der Hang immer steiler wird und der Untergrund immer rutschiger, driften meine Skier auseinander und schon «klebe» ich auf dem Bauch liegend am steilen Hang wie eine Comic-Figur. Als ich langsam talwärts zu rutschen beginne, stellt sich Panik ein. Erneut muss der Skilift so lange angehalten werden, bis mich meine Begleiterin aus der misslichen Lage befreit hat.

Wer Anerkennung und Lob ausspricht, baut Beziehungsbrücken und füllt sein eigenes Herz mit Freude.

So loben Sie richtig

  1. Zeitnah loben: Ganz wichtig ist das spontane, zeitnahe Loben.

  2. Loben Sie konkret: Loben Sie ein bestimmtes und konkretes Verhalten. Ein schwammiges und verallgemeinerndes Lob ist für den Empfänger schwer einzuordnen.

  3. Aufrichtig loben: Ein Lob zeigt nur dann seine volle Wirkung, wenn es aufrichtig und authentisch gemeint ist.

  4. Loben Sie mit positiven Formulierungen: Loben Sie das Gelungene und nicht das Ausbleiben des Unerwünschten.

  5. Loben Sie nicht wahllos und zu oft: Wenn Sie täglich alles und jeden loben, verliert das Lob seine Wirkung.

  6. Ein Lob ist ein Lob: Verbinden Sie ein Lob nicht mit Kritik, so nach dem Motto: «Toll, aber …». Das verwirrt nur, es neutralisiert das Lob und der positive Effekt ist dahin. Vermeiden Sie typische Lobzerstörer wie: «Die Leistung könnten Sie häufiger bringen.»

  7. Meinen Sie es persönlich: Lobende Worte werden am besten als Ich-Botschaft formuliert: «Ich freue mich sehr, dass ...» oder: «Das hat mir gut gefallen.» Lassen Sie ruhig ein wenig Begeisterung zum Vorschein kommen.

  8. Ein Lob nicht als Machtspiel missbrauchen: Ein Machtspiel findet statt, wenn jemand mit einem süsslichen Lob abgespeist wird, damit er auf handfeste Vorteile verzichtet.

  9. Nehmen Sie sich selbst aus dem Lob heraus: Auch wenn Sie Ihr Gegenüber unterstützen, hat er oder sie den grössten Anteil an seiner guten Leistung – das sollte so bleiben.

Wie Freundschaften Ihre Gesundheit fördern

Immer mehr Forschungsarbeiten bestätigen, dass unterstützende Freundschaften das Stressniveau verringern, Freude schaffen, Erkrankungen verhindern, Heilungsprozesse bei Erkrankungen beschleunigen und so dazu beitragen, dass wir unsere Lebensziele erreichen können. Überdenken Sie einmal die folgenden vier Punkte und was sie für Ihre Gesundheit bedeuten.

1. Freundschaften schützen vor weit verbreiteten Gesundheitsschäden

Die Ergebnisse von über 150 Langzeitstudien, welche die zwischenmenschlichen Beziehungen mit dem Gesundheitszustand in Relation setzten, wurden in der Zeitschrift PLoS Medicine zusammengefasst. Dabei entdeckte man bei Menschen mit wenig sozialen Verbindungen vergleichbare Gesundheitsgefahren wie bei Rauchern (ca. 15 Zigaretten/Tag), Alkoholikern, Personen, die zu wenig Bewegung haben, oder Übergewichtigen.

2. Freundschaften verlängern das Leben

Dr. Jacqueline Olds, eine amerikanische Psychiaterin, berät Patienten seit 32 Jahren. Sie hat sich besonders mit einsamen Menschen beschäftigt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit fasst sie wie folgt zusammen:

«Abgesehen von den genetischen Erbanlagen sind Bewegung und freundschaftliche Beziehungen die wichtigsten Faktoren für ein langes Leben.»

3. Freundschaften helfen kranken Menschen beim Genesungsprozess

Bei einer Studie mit nahezu 3000 Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, fand man heraus, dass die Sterberate bei all jenen Frauen, die keine engen Freundschaften pflegten, viermal so hoch war wie bei Frauen, die zehn und mehr Freundinnen hatten.

4. Freundschaften machen glücklicher als Geld und Besitz

Der Ökonom und Buchautor Richard Florida schreibt:

«Wenn Sie aus einer Stadt wegziehen, in der Sie regelmässige Beziehungen zu Ihrer Familie und einem vertrauten Freundeskreis hatten, und jetzt an einem Ort wohnen, wo Ihnen diese fehlen, müssten Sie CHF 120'000 mehr verdienen, um Ihren Verlust an Glück auszugleichen.»

Das bedeutet also – wenn man nur das Finanzielle im Blick hat –, dass Sie mit jedem neuen Freund, den Sie gewinnen, auch eine beachtliche «Lohnerhöhung» erhalten.

Freundschaft verdoppelt die Freude und halbiert den Schmerz.

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Essen geniessen - glücklich sein

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Glückliche Paarbeziehungen