Glückliche Paarbeziehungen

 

Autor/in: Andreas Bochmann (Hochschuldozent für Eheberatung, Supervisor)

Ausgabe: Leben und Gesundheit, August/2013 - Beziehungen

Friederike und Martin sind seit sieben Jahren verheiratet, haben zwei gesunde Kinder und leben im Herzen der schönen Schweiz. Sie sind glücklich.

Darf das denn überhaupt sein – im «verflixten siebten Ehejahr»? Lesen wir nicht ständig vom Scheitern von Partnerschaften? Werden wir nicht ständig aufgeklärt über Risiken und Nebenwirkungen eines jeden Versuches, eine glückliche Beziehung zu leben? Droht nicht hinter der nächsten Ecke irgendeine Katastrophe? Irgendwo muss es doch ein Problem geben!

Als Paarberater habe ich viel mit Katastrophen in Beziehungen zu tun, mit tiefgreifenden Konflikten, manchmal sogar Gewalt, jedenfalls mit ganz viel Sprachlosigkeit und Resignation. Da vergisst man leicht, dass die meisten Ehen halten, viele sogar glücklich sind – trotz aller Herausforderungen, die jede Beziehung mit sich bringt.

In Europa ist die Psychotherapie aus der Medizin erwachsen. Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und Alfred Adler, die Urväter der modernen Psychotherapie, waren allesamt Ärzte. So ist es nicht verwunderlich, dass psychotherapeutisch orientierte Paarberatung nach dem fragt, was in einer Beziehung «gestört» oder «krank» ist.

Neuere Forschung hingegen möchte wissen: Wie gelingt Partnerschaft? Mit anderen Worten, der Blick wird gewendet – weg vom Scheitern und Versagen, hin zu den «Zutaten», die einer Beziehung Haltbarkeit, Stabilität und Zufriedenheit geben. So fragt der renommierte Schweizer Professor für Psychiatrie, Jürg Willi: «Was hält Paare zusammen?»

Der amerikanische Paarforscher John Gottman veröffentlicht «Die sieben Geheimnisse der glücklichen Ehe», und sein Kollege David Olson schreibt zeitgleich «Empowering Couples» (Paarbeziehungen stärken), ein Buch, in dem dokumentiert wird, wie Partnerschaft gelingt.

Während Willi, geprägt von seinem medizinischen Hintergrund, auch sehr ungesunde Strukturen beschreibt (man kann als Paar auch unglücklich verheiratet bleiben), geht es den Paarforschern aus den USA vor allem um pragmatische Erkenntnisse und Fähigkeiten, die Paaren in ihren Beziehungen helfen sollen (Fachleute sprechen hier von «ressourcenorientiert»).

Die Gemeinsamkeit bei all diesen Ansätzen ist jedoch die spannende Fragestellung: Wie Partnerschaft gelingt. Allen schon in dieser geänderten Blickrichtung liegt ein entscheidender Schlüssel.

Wo möchten Sie hin? Wo wollen Sie hingelangen? Welches ist Ihr Ziel?

Die Vertreter der Kurzzeittherapie gehen noch einen Schritt weiter: In schweren Ehekrisen sind Fragen nach den Ursachen zwar erhellend, aber wenig hilfreich. «Was möchten Sie? Wo wollen Sie hingelangen? Welches ist Ihr Ziel?», sind ihrer Ansicht nach die Fragen, die voranbringen.

Wenngleich hier ein nicht immer angemessener Optimismus mitschwingt, ist der Ansatz konsequent und unterstreicht die Notwendigkeit, das Augenmerk auf das Gute zu lenken.

Kommen wir zurück zu Friederike und Martin. Wie schaffen es die beiden, glücklich zu sein? Hier allgemeingültige Antworten geben zu wollen, wäre nicht nur vermessen, sondern auch gefährlich. Jede Paarbeziehung ist anders. Einfache «Rezepte» sind eben nicht ohne Weiteres auf jede Beziehung übertragbar.

Deshalb möchte ich hier auch nur Felder benennen, die in der Forschung immer wieder hervortreten. Es sei dann jedem Paar selbst überlassen, diese Felder der Beziehung zu beackern.

Eine glückliche Ehe ist ein langes Gespräch, das immer zu kurz erscheint.

Beziehung ist mehr als «ich und du»

Die Erkenntnis, dass wir in Systemen leben, hat sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zunehmend durchgesetzt. Herkunftsfamilien und Herkunftskultur prägen uns. Der Satz: «Wer heiratet, heiratet eine ganze Familie», hat Auswirkungen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Aber auch in Gegenwart und Zukunft ist das «Netzwerk» wichtig, in das die Zweiersamkeit eingebunden ist.

Glückliche Paare pflegen Freundschaften, bringen sich aktiv in gesellschaftliche Gruppen ein, seien es Kirche oder Sportvereine (oder beides), und werden so auch in Krisenzeiten von diesem Netz gehalten.

Glaube

Es war in den Sozialwissenschaften lange Zeit verpönt, Glaube oder Religion mit einzubeziehen. Dort, wo dies aber geschah, sind die Ergebnisse so eindeutig, dass es unredlich wäre, nicht auf diesen Faktor hinzuweisen. Eine gemeinsame, praktizierte Spiritualität gehört zu den stärksten Faktoren einer dauerhaften, glücklichen Beziehung.

Dies steht in deutlichem Gegensatz zu der in den Medien immer wieder aufgestellten Behauptung, fromme Menschen hätten keinen guten Sex. Gemeinsame Spiritualität fördert Intimität, Verbindlichkeit und das Wissen um den Einen, der Paarbeziehungen nicht nur gestiftet hat, sondern auch mit seinem Segen erhalten will.

Glückliche Menschen haben glückliche Beziehungen

So banal dies klingen mag, so leicht wird dies übersehen. Wer mit sich und seinem Leben zufrieden ist, wird auch glücklicher in der Partnerschaft sein. Wie soll ich etwas «schenken», wenn ich nichts habe? Deshalb hilft es, Beziehungen – und dies muss keineswegs «Egoismus» sein – wenn man auch gut für sich selbst sorgt: für die eigene Gesundheit, für berufliche Zufriedenheit, für Freizeit und Erholung.

In diesen Bereich gehört auch der angemessene Umgang mit Stress, wie insbesondere der Schweizer Psychologieprofessor Guy Bodenmann gezeigt hat. Hier kann auch die Zeitschrift, die Sie gerade lesen, mehr Hilfe für Ihre Beziehungen sein, als Sie bisher gedacht haben.

Verbindlichkeit und Gestaltungswillen

Auch wenn ich nicht für den Erhalt einer Ehe um jeden Preis eintrete, weiss ich, dass das Hintertürchen «Scheidung» die Verbindlichkeit einer Paarbeziehung untergraben kann. Ohne Vorbehalte «Ja» zueinander zu sagen, hilft, bei Konflikten nach Lösungen zu suchen, statt sich in einen Schmollwinkel zurückzuziehen.

Wenn mir die Beziehung uneingeschränkt wichtig ist, werden meine Bedürfnisse bei der Problemlösung nicht das einzige Kriterium bleiben. Mehr noch, ich werde Beziehung proaktiv gestalten, mir eine Bestandsaufnahme wie PREPARE/ENRICH oder ein besonderes Ehewochenende gönnen, statt erst bei Problemen und Krisen aktiv zu werden. Dabei lässt sich lernen, dass Unterschiede, die sich nicht immer ändern lassen, ein Reichtum sind, den es zu nutzen gilt.

Eine gute Ehe ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis täglicher Entscheidungen füreinander.

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