Gutes tun verlängert das Leben

 

Autor/in: Robbie Pfandl (M. SC. Psychologie)

Ausgabe: Leben und Gesundheit, August/2013 - Beziehungen

Fast jeder, der dem Elend anderer Menschen zusehen muss, entdeckt plötzlich in seinem Innersten starke Gefühle. Wie geht man mit diesen Impulsen verantwortungsbewusst um?

Lieben Sie beeindruckende Filme? Haben Sie Schindlers Liste gesehen? Der Film von Steven Spielberg erzählt die wahre Geschichte einer dramatischen Aktion, bei der der deutsche Industrielle Oskar Schindler im nationalsozialistischen Deutschland mehr als 1000 Juden rettete. Er nahm grosse persönliche Risiken auf sich und investierte sowohl Zeit als auch Geld, um Mittel und Wege zu finden, damit Juden vor der Vernichtung durch die Nazis bewahrt werden konnten. Schindler ist ein Held der Menschheitsgeschichte und ein Aushängeschild für den psychologischen Begriff des prosozialen Verhaltens.

Oder können Sie sich noch an die Nothilfe für die hungernden Menschen in Afrika erinnern, die Bob Geldof 1985 (Live Aid) und 2004 (Live 8) ins Leben rief? Im Rahmen von Live 8 fanden Konzerte in mehreren Metropolen statt, die über den ganzen Globus verteilt sind, unter anderem auch ein grosses Konzert in Berlin, bei dem die Künstler auf ihre Gage verzichteten. Das wohl eindrücklichste Beispiel für prosoziales Verhalten ist die Lebensgeschichte von Agnes Gonxha Bojaxhiu. Sie wurde am 26. August 1910 in Skopje (heute Mazedonien) geboren. Bereits mit 12 Jahren fühlte sie sich berufen, den Benachteiligten in dieser Welt zu helfen. Diverse Berichte jesuitischer Missionare aus Bengalen inspirierten sie, im jungen Alter von 18 Jahren einem irischen Kloster in Kalkutta beizutreten. Dort verbrachte sie die nächsten 17 Jahre als Lehrerin und Rektorin der St. Mary’s High School. An dieser Klosterschule erhielt sie den Namen Mutter Teresa (gemäss der Heiligen Teresa von Lisieux, der Schutzpatronin aller Missionare).

Nach einer schweren Krankheit im Jahr 1946 fühlte sie sich endgültig berufen, ihr Leben den Ärmsten der Armen zu widmen. In Kalkutta wohnhaft, stellte sie ihr Leben die folgenden 50 Jahre bis zum 87. Lebensjahr in den Dienst der Armen vor Ort.

Oskar Schindler, Bob Geldof und Mutter Teresa haben durch ihr Leben demonstriert, dass wir es nicht ertragen, das Elend anderer mitanzusehen, weil es uns selbst weh tut. Es entsteht ein tiefes Mitgefühl, das uns antreibt, etwas zu tun.

Hilfsbereitschaft – ein Elixier für ein glückliches Leben

Die Bedeutung der Hilfsbereitschaft für Ihr Wohlbefinden lässt sich gar nicht hoch genug einschätzen. Grosszügigkeit und Güte führen dazu, dass Sie andere positiver wahrnehmen und fördern das Gefühl der Gemeinschaft. Gute Taten verringern Ihre Schuldgefühle, die Trauer oder das Unbehagen, welches Sie angesichts des Leids und der Probleme anderer Menschen empfinden könnten.

Gute Taten erlauben Ihnen, Ihr eigenes Glück wahrzunehmen und dankbar zu sein. Wenn Sie anderen Menschen Unterstützung und Trost schenken, kann dies eine willkommene Ablenkung von den eigenen Problemen und Grübeleien darstellen, da Sie so Ihre Aufmerksamkeit von sich auf eine andere Person lenken. Die Hilfsbereitschaft wird Ihre Selbstwahrnehmung verändern. Sie werden sich als mitfühlende Person erfahren. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von empathischen (einfühlenden) und altruistischen (uneigennützigen) Personen. Diese neue Sicht Ihrer eigenen Person kann Ihnen Selbstvertrauen und Optimismus vermitteln und das Gefühl geben, zu etwas nütze zu sein.

Anderen zu helfen oder sich für einen guten Zweck zu engagieren öffnet Ihnen Tür und Tor, um neue Fähigkeiten, Ressourcen und Kenntnisse zu entdecken, an die Sie nie im Traum gedacht hätten. Ihnen wird auch das Gefühl vermittelt, Ihr Leben besser im Griff zu haben. Hilfsbereitschaft vermittelt Ihnen das Gefühl, dass Ihr eigenes Leben sinn- und wertvoll ist.

Wenn die Hilfsbereitschaft echt gemeint ist, löst sie eine soziale Resonanz aus, d. h. Sie werden von anderen Menschen gemocht und geschätzt, weil Sie anderen etwas Gutes erweisen. Hilfsbereitschaft befriedigt das menschliche Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe, sie verschafft Ihnen das Lächeln, die Dankbarkeit und die Freundschaft anderer. Ihr Leben wird reicher, und Sie werden glücklicher und zufriedener sein.

Der Gesundheit zuliebe

Diverse Langzeitstudien konnten darlegen, dass die Sterblichkeit alter, armer Menschen, die sich wohltätig für andere engagierten, bei gleichem Gesundheitszustand um 60 % niedriger war als bei Senioren, die dies nicht taten. Die Folgen wohltätigen Engagements stellen für die Gesundheit eine der besten Garantien für ein langes Leben dar. Möglicherweise hat es grössere Bedeutung als ein gut eingestellter Blutdruck oder ein niedriger Cholesterinspiegel.

Besonders die Disziplin der Psychoendokrinologie (Wissenschaft, die die Wirkung von Hormonen auf den Körper untersucht) hat eindrücklich nachgewiesen, in welchem Zusammenhang prosoziales Verhalten und die Ausschüttung bestimmter Hormone stehen.

Das sogenannte „Helferhoch“ (engl. Helper’s High) führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Endorphinen, Oxytocin (Hormone der Sexualität und Bindung) und Dopamin (Glückshormonen). Diese Hormone werden vermehrt ausgeschüttet, wenn sich Menschen kooperativ und altruistisch verhalten. Diese Hormone wirken dämpfend auf die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und beugen so nicht nur Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch Infektionen oder Krebs vor.

Ihre vermehrte Ausschüttung stärkt das Immunsystem. Altersforscher konnten zudem nachweisen, dass ein ehrenamtliches Engagement im Alter eine gute Methode ist, um Depressionen und Demenz vorzubeugen.

„Niemand ist nutzlos in dieser Welt, der einem anderen die Bürde leichter macht.“
Charles Dickens

Konkrete Schritte

Die Liste von Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, also dem Mitmenschen etwas Gutes zu tun, kennt eigentlich keine Grenzen. Sie brauchen weder Talent noch Geld. Ihre gute Tat muss grösserartig noch kompliziert sein. Wenn Sie sich fragen sollten, wo Sie anpacken könnten, schauen Sie sich nur zu Hause, am Arbeitsplatz oder in Ihrer Nachbarschaft um. Die größte Befriedigung und Dankbarkeit entstehen in der Regel bei einer Tätigkeit, die eine direkte Begegnung mit anderen Menschen ermöglicht. Der Besuch einer kranken Person im Spital, die Betreuung von Kindern allein erziehender Mütter, die Begleitung von Sterbenden in einem Hospiz, der Nachhilfeunterricht für einen strauchelnden Schüler, ein Ausflug mit alten oder behinderten Menschen aus dem lokalen Pflegeheim – das sind nur ein paar Beispiele.

Diese Aufzählung könnte man noch um vieles erweitern, aber ich bin mir sicher, wenn Sie Ihre Augen und Ohren offen halten und nur wenig Kreativität entwickeln, werden Sie viele Ideen für gute Taten in Ihrer direkten Umgebung finden.

Die Kehrseite der Medaille

Helfen kann unter gewissen Bedingungen schaden. Auch das Beste tun kann zu viel des Guten sein. Wenn die eigene Psyche, die innere Kraft und Energie gespendet werden, wissen Wissenschaftler in mehreren Studien auf die Grenzen der Hilfsbereitschaft hin. Soziales Engagement erweist sich dann als förderlich, wenn die engagierten Helfer den Eindruck haben, dass ihre Bemühungen auf irgendeine Weise – etwa durch Lob oder Dankbarkeit – belohnt werden. Bei der Versorgung von Demenzkranken ist dies jedoch selten der Fall. Personen, die sich um solche Patienten kümmern müssen, leiden dreimal so häufig an Depressionen wie der Durchschnitt.

Je mehr Belastungen mit sich bringt, Sie in Ihren alltäglichen Handfertigkeiten aufkommen lässt, ist kein Weg zum Glück, auch wenn sie noch so angemessen, ehrhaft und richtig sein kann. Damit will ich nicht sagen, dass Sie sich nicht um nahestehende Menschen mit Demenz kümmern sollten. Sie müssen jedoch die Nachteile kennen, um so gut wie möglich damit umgehen zu können, und sich selber rechtzeitig Hilfe und Unterstützung holen.

… und dennoch, gute Taten bereichern das Leben und stiften Sinn!

Tun Sie Gutes! Es lohnt sich. Viktor Frankl, der berühmte Wiener Psychotherapeut und Begründer der Logotherapie und der Existenzanalyse, schrieb, dass der Mensch nur dann Sinn erfährt, wenn er sich auf etwas bezieht, dass nicht wieder nur er selbst ist. Versuchen Sie regelmässig eine gute Tat zu vollbringen, von der Sie niemandem erzählen und für die Sie keine Gegenleistung erwarten. Wenn Sie Ihren Mitmenschen Mut machen, sie unterstützen und deren Bemühungen häufiger mit Anerkennung würdigen, werden Sie erkennen, dass Sie nicht deshalb Gutes tun, damit andere Sie bewundern und akzeptieren, sondern um Ihr Gefühl von Sinnhaftigkeit und Selbstwert zu steigern.

Wenn Sie sich weiterentwickeln und Ihr Leben bereichern wollen, müssen Sie in Beziehungen denken und in Beziehungsfähigkeit investieren.

Dies ist das Geheimnis der Kunst des Miteinander- und menschlichen Wachsens – es wird ermöglicht durch die Wertschätzung anderer als einzigartiger Persönlichkeiten, erfahren durch gute Taten und durch die Bereitschaft, Liebe und Mitgefühl zu zeigen.


Umgang mit E-Mails

Die Buchautorin Anita Egger hat ausgerechnet, dass ein Mensch in unserer modernen digitalen Welt bis zu seinem 75. Geburtstag etwa 8 Monate seines Lebens nur mit dem Löschen unerwünschter Mails beschäftigt ist.

Auf den Arbeitstag umgerechnet bedeutet das, dass ein Kopfarbeiter im Schnitt alle 11 Minuten von seiner Arbeit abgelenkt wird. Störfaktor Nummer eins sind E-Mails. Für eine optimale Leistung ist das in keiner Weise förderlich. Mit jeder Ablenkung geht viel Konzentration verloren, die danach wieder mühsam aufgebaut werden muss – bevor sie die nächste Ablenkung wieder zerstört.

Dieser sogenannte „Sägeblatt-Effekt“ verschleisst viel Produktivität. Man könnte hier einen Vergleich mit einem Marathonläufer ziehen, der sich alle 11 Minuten die Schuhbänder neu binden muss, weil sie aufgegangen sind. Er mag wohl ans Ziel kommen, aber mit welchem zusätzlichen Einsatz.

Anfänglich waren E-Mails eine wunderbare Errungenschaft. Sie haben die Kommunikation revolutioniert. Weil dafür aber keine Gebühren zu bezahlen sind – was an sich ja wunderbar ist – werden Mails sehr grosszügig verschickt (oft auch unnötige) und ausserdem werden fast alle Empfangsfächer von unerwünschter Werbung (SPAM) regelrecht überschwemmt.

Viele Menschen sind heute durch die ständige auf sie einströmende Flut von Nachrichten und den damit verbundenen Multitasking überfordert. Sie werden krank. Abhilfe schafft da nur eine Änderung der Kommunikationsroutine, die aber jeder für sich selbst anpacken muss. Regelmässige Pausen sind hierbei von grosser Bedeutung.


Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
— Erich Kästner

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Von der Freiheit, sich selbst zu sein