Gewinnen oder verlieren?Lernen Sie den richtigen Umgang mit Ihrer Zeit
Autor/in: Bernd Bangert (Managementtrainer)
Ausgabe: Leben und Gesundheit, Mai/2013 - Prioritäten
In einer Zeit, in der die Medien immer öfter über Burnout von Mitarbeitern berichten, in einer Zeit, in der aufgrund mangelnder Zeit für Kommunikation Familien auseinanderbrechen, wird die Frage immer lauter: Wie kann ich dem allgegenwärtigen Stress entfliehen und Zeit gewinnen?
Gestiegene Ansprüche haben ihren Preis
Zeit kann man nicht sparen, auch nicht gewinnen und erst recht nicht verlieren. Die Zeit bleibt immer gleich. Es ist die Art, wie wir Menschen mit der Zeit umgehen, wie wir sie nutzen bzw. zielgerichtet gestalten.
Früher konnte jede Familie noch mit einem Verdienst leben. Heute sind die Kosten stark angestiegen und die Ansprüche so gewachsen, dass praktisch jeder einen finanziellen Beitrag leisten muss. Noch vor 20 Jahren reichte ein Auto für eine vierköpfige Familie. Heute hat fast jedes Familienmitglied ab 18 Jahren einen Wagen. Jeder will einen Computer haben, jeder ein Handy. So werden wir verschlissen in Ansprüchen und Notwendigkeiten, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar waren, jetzt aber jeden fordern und um die Zeitressourcen schmälern. Wie können wir dem entfliehen? Wie können wir wieder das Leben ohne Druck genießen?
Gewohnheiten ändern?
Ich weiss, dass es nicht immer einfach ist, Gewohnheiten zu ändern, und doch ist es möglich. Studien über das Gehirn zeigen, dass innerhalb von sechs bis zwölf Wochen neue Netzwerke im Gehirn gebildet werden können, wenn wir jeden Tag wenigstens 10 Minuten lang eine neue Gewohnheit bildlich vorstellen. Das Gehirn braucht also Zeit, um neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen aufzubauen. Um das zu schaffen, können uns einige natürliche Grundprinzipien helfen, das Leben wieder selbst-bewusster zu gestalten.
Knecht oder Herr sein
Ein Geschichte von Tolstoi, von mir für unser Thema neu formuliert, zeigt uns eindrücklich das Problem vieler Menschen. Ein Knecht namens Pahom arbeitete ein Leben lang in den Diensten seines Herrn. Eines Tages sagt sein Herr zu ihm:
„Paholk, du hast all die Jahre bei mir gearbeitet und mir wunderbare und gute Dienste geleistet. Ich möchte dir einen verdienten Lebenslohn geben. Sieh morgen früh vor Sonnenaufgang dort auf dem Hügel mitten in unserem Land. Am nächsten Tag steht Paholk schon lange vor Sonnenaufgang auf dem Hügel. Auch alle anderen Knechte und Mägde sind sein Herr findet sich dort ein. Der Herr sagt: „Alles Land, das du vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang umläufst, soll dir gehören.“ Paholk macht sich sogleich eifrig auf. Er packt seinen Rucksack mit Proviant zurecht und nimmt einen Spaten, um die Grenze seines Landes zu markieren. Wie die ersten Sonnenstrahlen über dem Horizont aufblitzen, rennt er los. Er kennt das Land. Hier ein herrlicher See, dort eine fruchtbare Weide, dann ein windgeschütztes Stück Wald. Die Mittagssonne steht am Himmel. Immer wieder rennt er und läuft und eilt. Eifrig markiert er die Grenze. Wie er der Versuchung entgegenläuft, später, erst am Startpunkt noch fruchtbarer wird der Sternthof. Es herrzt, er beeilt sich. Doch, als er am Fuss des Hügels ankommt, sieht er, wie die letzten Sonnenstrahlen verschwinden wollen. Er hat alles in der Karte gesetzt – ist nun alles verloren? Aber auf dem Hügel rufen die Knechte und Mägde: „Paholk, Paholk, beeile dich!“ Ach ja, auf dem Hügel ist die Sonne noch zu sehen. So steigt er keuchend mit letzter Anstrengung den Hügel hinauf. Unter dem Jubel der Knechte und Mägde erreicht er sein Ziel, bricht dann aber tot zusammen. Alle rufen laut: „Paholk hat ein riesiges Land gewonnen.“ Doch sie müssen ihn aufrichten wollen, stellen sie fest: er ist tot.
Unsere Zeit ist begrenzt machen wir was draus!
Fragen und Antworten
Diese Geschichte wirft wichtige Fragen auf, die Sie, liebe Leserin, lieber Leser, für sich beantworten sollten:
Was erzählt Ihnen diese Geschichte?
Was bedeutet für Sie Erfolg?
Was sind für Sie erstrebenswerte Ziele?
Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, um darüber zu reflektieren.
Einige mögliche Antworten:
Paholk wollte zu viel erreichen. Weniger wäre mehr gewesen. Er hat sich verkalkuliert und die Zeit verpasst usw.
Erfolg bedeutet Zufriedenheit, die eigenen Ziele erreichen usw.
Die dritte Antwort überlasse ich Ihnen.
Welche Frage hätte sich Paholk vernünftigerweise stellen sollen? Das ist leicht erkennbar:
«Was will ich wirklich?» Das ist die Zielfrage.
Aber Achtung, hier fehlt noch etwas. «Was will ich?» Das ist auch eine Visionsfrage. Zur Zielfrage gehört noch die Überlegung: «Was kann ich wirklich erreichen?» Erst dadurch wird das Ziel klar.
Zwischen Wollen und Können kann eine grosse Kluft liegen. Wenn ich mit fünfzig Jahren z. B. einen Weltrekord im Weitsprung machen möchte, aber bisher noch nie gesprungen bin und zudem nur 1,60 m gross bin, dann habe ich auf das falsche Ziel gesetzt.
Wie erreiche ich mein Ziel?
Die ZAP-Methode (Ziel, Analyse, Plan – siehe Kasten) führt in drei Schritten dorthin. Wir benutzen diese Methode unbewusst jeden Tag. Ob wir ein Auto kaufen oder einen Kühlschrank, immer wenden wir sie an. Da steht der Wunsch nach einem besonderen Wagen. Dann schaue ich in mein Portemonnaie und stelle fest, reicht es nur für einen Kleinwagen oder einen Gebrauchwagen.
Wenn Sie diese Methode strukturiert in den nächsten sechs Wochen für Ihre Planung anwenden, werden Sie ein Zeitmanagementexperte. Aber Achtung! Noch ein wichtiger Faktor ist dabei zu berücksichtigen: Etwa 30 % bis 40 % unserer Tätigkeiten sind unvorhergesehene Aufgaben. Wir sprechen hier von der „Überverfügbarkeit“ alter Motive. Mit einfachen Worten ausgedrückt, es sind oft die unwichtigen, manchmal aber auch wichtigen, dringlichen Dinge. Ja, diese unvorhergesehenen Dinge müssen erledigt werden, darum vergessen Sie nicht, diese Dinge mit in Ihre Planung einzubauen, sonst sitzen Sie ganz schnell in der Zeitzfalle und gleichen dann dem Knecht Paholk.
Erholungspausen
Um den negativen, belastenden Stress zu entgehen, noch ein letzter wichtiger Punkt: Nehmen Sie sich regelmäßig kleine Erholungs- oder Rekreationszeiten, also einen Tag, um Ihre Energie wieder aufzuladen. Ich habe mir bereits als junger Mann gesagt: Ich will den von Gott bestimmten Ruhetag, fünf ruhige Minuten, für mich und meine Familie nutzen. Das hat mir unheimlich neue Kraft in die eigene Seele, in die Familie und in die Arbeit gebracht.
Meine Empfehlung für Ihre Gesundheit:
Machen Sie ernst mit der ZAP-Methode und dem Erholungstag.
Die ZAP-Methode
ein Ziel setzen
eine Analyse des Ziels machen
einen Plan entwerfen
„Alles Land, das du vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang umläufst, soll dir gehören.“