Psychologie des Essens
Autor/in: Christof Sommersguter (Lehrer für Deutsch, Psychologie & Philosophie, Chefredakteur von «salvationandservice.org»)
Ausgabe: Leben und Gesundheit, Januar/2020 - Ernährung
Um zu überleben, muss der Mensch seinem Körper genügend Nährstoffe zuführen. Doch das Richtige in der richtigen Menge und Vielfalt zu essen, ist noch keine Garantie für Gesundheit und Wohlbefinden. Hunger wird nicht nur als knurrender Magen empfunden, sondern zeigt sich auf verschiedene Arten – vom Augenhunger, der von Schönheit und Ästhetik beeinflusst ist, über den Nasenhunger, der sich durch Düfte meldet, bis hin zum Herz- und Gefühlshunger, bei dem Nähe, Trost und Belohnung im Vordergrund stehen.
Der kanadische Psychologe Bruce Alexander widerlegte 1981 die gängige These, dass Drogenkonsum allein durch Verfügbarkeit bestimmt werde. In seinem berühmten „Rattenpark“-Experiment zeigte er, dass Ratten in einem artgerechten, sozialen Umfeld kaum zu Drogen griffen, während isolierte Tiere sofort süchtig wurden. Soziale und emotionale Gegebenheiten haben also großen Einfluss auf unser Verhalten – auch beim Essen.
Essen dient nicht allein der Nährstoffaufnahme. Wie die Ratten im Experiment sind auch wir durch Umwelt, Gene und unsere Willenskraft beeinflusst. Wer einen gesunden Lebensstil pflegen möchte, sollte diese Ebenen beachten. Superfoods und Nährstoffwissen sind nur eine Seite – die Psychologie des Essens die andere.
Mach es gesund & besonders.
Achtsamkeit beim essen, bringt mehr freude!
Im hektischen Alltag verlieren viele Menschen zunehmend ihre Empfindungsfähigkeit. Psychotherapeutische Methoden setzen daher verstärkt auf Achtsamkeit, also das bewusste Wahrnehmen von Gefühlen, Körperempfindungen und der Umwelt. Solche Übungen helfen bei Stress, Schmerzen und sogar bei Suchtverhalten. Ein Beispiel ist die „Rosinenübung“, bei der eine Rosine mit allen Sinnen betrachtet, gerochen, geschmeckt und bewusst gegessen wird.
Auch das soziale Miteinander spielt eine wichtige Rolle. Studien zeigen, dass gemeinsames Essen mit Familie oder Freunden nicht nur das Wohlbefinden steigert, sondern auch die Wahl gesünderer Lebensmittel fördert. Das „Franzosen-Paradoxon“ belegt zudem, dass Genuss und Gemeinschaft beim Essen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken können – selbst wenn vermeintlich ungesündere Speisen verzehrt werden.
Schließlich haben Einsamkeit und soziale Ausgrenzung starke Auswirkungen: Sie können Essstörungen verstärken oder Appetitverlust verursachen. Selbst zyklusbedingte Gelüste bei Frauen sind Ausdruck komplexer psychologischer und biologischer Zusammenhänge.
Das Konzept der Achtsamkeit gewinnt daher immer mehr Bedeutung – bis hin zur Einführung als Schulfach. Es ermöglicht den Menschen, im Hier und Jetzt zu leben, ihre Empfindungen neu zu schätzen und wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen.
„Machen Sie also aus dem nächsten Essen ein Freudenfest und genießen Sie es achtsam und mit allen Sinnen!“