GLAUBE – VERTRAUEN – GESUNDHEIT: Geht das zusammen?

 

Autor: Dr. med. Karl-Heinz Müller
Ausgabe: Leben & Gesundheit, März/April 2025 - Vertrauen

Ein persönliches Zeugnis…

ICH GLAUBE NUR, WAS ICH SEHE ...

Ich wuchs in einer christlichen Familie auf. Schon in meiner Kindheit faszinierten mich die Geschichten der Bibel, und so wuchs in mir der Glaube an einen persönlichen Gott. Dadurch habe ich mich schon früh veranlasst gesehen, den christlichen Glauben in der Schule und später auch an der Uni zu verteidigen. Dort wurde ich mit Aussagen konfrontiert wie:
«Ich glaube nur das, was ich sehe, darum glaube ich, dass ein Pfund Hühnerfleisch eine gute Hühnersuppe gibt.»
Oder: «Wie kann man daran glauben, dass diese Erde von einem Gott geschaffen wurde»?

Ich wurde als Außenseiter angesehen. Waren meine Ansichten, mein Glaube falsch? Ich hinterfragte mich ernstlich.

Die Aussage «Ich glaube nur das, was ich sehe», ist natürlich zu kurz gegriffen – wie viele Dinge kann ich nicht sehen und doch ist jeder überzeugt davon, dass es diese Dinge gibt. Nehmen wir zum Beispiel elektrischen Strom, Atomkraft, das Gehirn. Okay, ich gebe zu: Letzteres kann man durch bildgebende Verfahren sichtbar machen, auch die Auswirkungen des elektrischen Stroms und der Atomkraft kann man sehen. Aber es gibt auch viele Dinge in unserem Leben, die wir einfach glauben müssen, im Sinne von «für wahr halten». Denken wir nur an die zahlreichen Forschungsergebnisse und genialen Erfindungen der Menschheit!

MEDIZIN UND GLAUBE

Während des Studiums musste ich «einfach nur glauben» beziehungsweise darauf vertrauen, dass die medizinischen Lehren der Wahrheit entsprechen. Mir blieb einfach nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen und dann entsprechend diesem Vertrauen zu handeln.

Ich erinnere mich noch gut an den Pharmakologie-Unterricht. Dabei lernten wir die Wirkungen, aber auch die Nebenwirkungen der Medikamente kennen. In einer dieser Pharmakologie-Vorlesungen stellte uns der Professor die heftigen Nebenwirkungen eines sehr bekannten und auch vielfach genutzten Medikaments auf einer Folie vor. Daraufhin diskutierten wir Studenten eine Weile und empörten uns darüber, dass dieses Medikament überhaupt noch auf dem Markt sei.

Nach einer Weile zeigte der Professor eine weitere Folie neben der vorherigen, darauf wurden die Placebo-Wirkungen dieses Medikaments aufgeführt, die sich in einer Vergleichsstudie mit dem Medikament und einer Scheinbehandlung (Zuckerpille) nachweisen ließen. Es traten die gleichen Nebenwirkungen sowohl beim Medikament selbst als auch beim Placebo auf, was bedeutet, dass die Nebenwirkungen des Medikaments nur Placeboeffekte waren. Und nebenbei bemerkt: Placebo wirken nicht!

Damit ich dieses Medikament später überhaupt anwenden konnte, musste ich den Studien vertrauen. Ich musste glauben, dass diese Ergebnisse wahr sind, denn es wäre viel zu aufwendig und praxisfern gewesen, alles zu überprüfen.

LESEN SIE DEN BEIPACKZETTEL?

Ohne Glauben oder Vertrauen geht gar nichts in unserem Leben – und dies ganz besonders in der Medizin. Eben dieses Vertrauen hat mich erst befähigt, Medikamente zu verabreichen, obwohl ich hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen – lesen Sie doch nur einmal einen Beipackzettel! – unsicher war.

Wie oft habe ich es seither in meinem Arztleben erlebt, dass mir Patienten vertrauten und sich auf eine Behandlung ihrer Krankheit eingelassen haben. Auch wenn die Behandlungen nicht immer den gewünschten Erfolg hatten, haben die Patienten mir vertraut, weil ich ihnen Hoffnung vermitteln konnte. Selbst auf dem Sterbebett konnte ich ihnen aufgrund meines christlichen Glaubens handfeste Hoffnung vermitteln, so dass sie ruhig eingeschlafen sind.

Wie gut, dass in der Zwischenzeit die Zusammenhänge zwischen Glauben und Gesundheit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden sind.

DIE WECHSELWIRKUNG VON GLAUBEN, VERTRAUEN UND GESUNDHEIT

Vertrauen ist ein Schlüsselelement, das Glauben und Gesundheit miteinander verbindet. Die Beziehung zwischen Glauben und Gesundheit ist ein faszinierendes Forschungsfeld, das eine Brücke zwischen den Disziplinen der Medizin, Psychologie und Theologie schlägt. Religiöse Praktiken stärken oft das Vertrauen in eine höhere Macht, aber auch in die Gemeinschaft oder in sich selbst. Dieses Vertrauen kann eine stabile Basis schaffen, um mit Stress, Unsicherheit und gesundheitlichen Herausforderungen besser umzugehen.

Studien zeigen, dass Menschen mit starkem Vertrauen in eine höhere Ordnung häufig weniger anfällig für chronische Stresssymptome sind.

Religion hilft vielen Menschen, in schwierigen Zeiten einen Sinn im Leben zu finden. Diese Sinngebung kann Ängste relativieren und Hoffnung spenden, selbst in scheinbar ausweglosen Situationen. 

POSITIVE AUSWIRKUNGEN VON GLAUBEN AUF DIE GESUNDHEIT

1. Verbesserte psychische Gesundheit
Religiöse Menschen berichten häufig von höherer Lebenszufriedenheit und geringeren depressiven Symptomen. Beispielhaft erwähne ich die Metaanalyse von Zwingmann (2017) und Hodapp, die 67 Studien verglichen und untersuchten. Sie fanden dabei konsistente Belege für positive Effekte auf die psychische Gesundheit wie vermindertes Auftreten von Depressionen und Angstzuständen, dafür höhere Lebenszufriedenheit.

Eine weitere umfassende Meta-Analyse von Smith, McCullough und Poll (2003) mit knapp 99.000 Teilnehmern ergab, dass Religiosität signifikant mit einem niedrigeren Risiko für Depressionen und Angstzustände assoziiert ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Rituale wie das Gebet oder Gottesdienste vermitteln eine Struktur im Alltag, die in Krisenzeiten stabilisierend wirken kann. Es wird aufgezeigt, dass diese Praktiken die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol reduzieren.

Ein weiterer wesentlicher Mechanismus, durch den Religion die Gesundheit beeinflusst, ist zum Beispiel soziale Unterstützung, die aus der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft resultiert. Menschen, die regelmäßig an Gottesdiensten teilnehmen, sind oft besser in soziale Netzwerke eingebunden. Dieser Rückhalt wirkt sich positiv auf das psychische Wohlbefinden aus und kann auch körperliche Gesundheitsvorteile bieten. Religion hilft vielen Menschen, in schwierigen Zeiten einen Sinn im Leben zu finden. Diese Sinngebung kann Ängste relativieren und Hoffnung spenden, selbst in scheinbar ausweglosen Situationen.

2. Förderung der Resilienz
Der Glaube an eine höhere Macht kann eine wichtige Quelle für Resilienz sein. In der Forschung von Edgar Voltmer und Kollegen zeigte sich, dass religiöse Überzeugungen Menschen befähigen, Widrigkeiten des Lebens mit Hoffnung und Zuversicht zu begegnen. Besonders in lebensbedrohlichen Situationen, etwa bei einer Krebsdiagnose, wird häufig auf spirituelle Ressourcen zurückgegriffen.

3. Neurobiologische Perspektiven
Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass Glaube und Spiritualität über spezifische Gehirnregionen vermittelt werden. Der sogenannte «God Spot» oder das religiöse Netzwerk im Gehirn, das unter anderem den präfrontalen Cortex und das limbische System umfasst, spielt eine zentrale Rolle. Es wird aufgezeigt, dass diese Regionen bei spirituellen Praktiken wie christlichem Gebet aktiviert werden. Dies kann Stress reduzieren, die Neuroplastizität fördern und sogar entzündungshemmend wirken.

4. Physische Gesundheit und Langlebigkeit
Interessanterweise scheint religiöse Praxis auch einen Einfluss auf die körperliche Gesundheit zu haben. Religiöse Praktiken wie Gebet oder christliche Meditation können Stress reduzieren und das Immunsystem stärken. Studien zeigen, dass regelmäßiges Beten oder christliches Meditieren den Blutdruck senken und den Herzschlag stabilisieren kann. Eine groß angelegte Untersuchung der Harvard T. H. Chan School of Public Health ergab, dass Menschen, die regelmäßig an religiösen Zeremonien teilnehmen, eine längere Lebenserwartung haben.

KRITISCHE BETRACHTUNGEN UND DIFFERENZIERTE ERGEBNISSE

Trotz vieler positiver Befunde gibt es auch kritische Perspektiven. Monika Jakobs betont, dass die Wirkungen von Religiosität ambivalent sein können. Beispielsweise können dogmatische Glaubenssysteme oder religiöser Zwang psychischen Stress und soziale Isolation verstärken.

Daher ist es wichtig, die individuellen und kulturellen Kontexte zu berücksichtigen, in denen Glaube ausgeübt wird.

SCHLUSSFOLGERUNG UND AUSBLICK

Der christliche Glaube hat das Potenzial, sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. Auf der positiven Seite stehen psychische Resilienz, bessere Stressbewältigung und potenziell längere Lebenserwartung. Gleichzeitig gibt es Herausforderungen, insbesondere bei dogmatischen Auslegungen oder der Ablehnung moderner Medizin. Eine wichtige Erkenntnis für Fachkräfte im Gesundheitswesen ist, dass der Glaube eine wichtige Ressource für die Patienten sein kann. Es ist daher ratsam, spirituelle Aspekte in die Betreuung von Patienten zu integrieren, um eine ganzheitliche Unterstützung zu gewährleisten.

Vertrauen ist ein Schlüsselelement, das Glauben und Gesundheit miteinander verbindet.

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